Öffentliche Stellungnahme vom
21. Mai 2007
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Das internationale Kunstprojekt „HOLY DAMN IT: 50 000 Plakate gegen G8 – von der Dringlichkeit radikaler Antworten“ zu seiner Kritik am Projekt „Art goes Heiligendamm“:
Bis heute erfolgt die öffentliche Darstellung und Rezeption des Projekts „Art goes Heiligendamm“ in allen Medien- und Agenturberichten gleichlautend unter den Überschriften „Deeskalative Kunst für den G8-Gipfel“ oder „Kunstaktion will bei G8-Gipfel deeskalieren“. So heißt es zum Beispiel bei Spiegel online wörtlich: „Die teilnehmenden Künstler wollen mit ‚Art goes Heiligendamm’ zwischen Politik und Globalisierungskritikern vermitteln. Die Initiatorin des Projekts, die ehemalige Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler, sagte bei der Vorstellung des Konzepts (…). Man wolle zur Deeskalation vor Ort beitragen (…). Damít wolle man aus der Logik von Gipfel-Teilnehmern und Gipfelgegnern ausbrechen und einen diskursiven und visuellen Erfahrungsraum jenseits von Gut und Böse schaffen.“
In der Pressemitteilung #1 von Adrienne Goehler heißt es: „Art goes Heiligendamm beabsichtigt, dass künftig jeder G8- oder Weltwirtschaftsgipfel interkulturelle Kommunikation, ästhetische Erfahrung und einen gesellschaftlichen Reflektionsraum eröffnet zur dringend nötigen kulturellen Übersetzung der Themen der Globalisierung.“
Diese Instrumentalisierung künstlerischer Arbeiten mit der Absicht einer vermittelnden Legitimierung der Politik der G 8 lehnen wir ab. Ebenso eine Zuschreibung bestimmter Aufgaben und die Funktionalisierung von Kunst unter dem Begriff „Deeskalation“, wie in der bisherigen Selbstdarstellung von „Art goes Heiligendamm“ praktiziert.
Um so mehr nach der letzten Eskalation durch bundesweite Polizeirazzien gegen die Protestbewegung gegen den G 8, die massive Einsschüchterungs- und Diffamierungskampagne durch Behörden und Polizei sowie die Ankündigung der Behörden von Mecklenburg-Vorpommern, zum Beispiel den Sternmarsch nach Heiligendamm am 8. Juni zu verbieten.
Selbstverständnis und Grundlage unseres internationalen Kunstprojekts „HOLY DAMN IT“ und der Teilnahme von zehn internationalen KünstlerInnen und KünstlerInnenkollektiven sind eine künstlerische Intervention gegen die Politik der G 8 im Rahmen der internationalen Protest- und Widerstandsbewegungen (weitere Informationen unter www.holy-damn-it.org).
Aus diesen Gründen haben wir die Anfrage, als „assoziiertes Projekt“ von „Art goes Heiligendamm“ in einer Sonderbeilage der TAZ vorgestellt zu werden und in Rostock unter diesem Label auszustellen, abgesagt.
Einen Diskurs über die Motive künstlerischer Interventionen in aktuelle gesellschaftliche Prozesse und die mediale Rezeption halten wir dagegen für produktiv und notwendig. Diese Debatte wollen wir auf jeden Fall mit unseren KünstlerInnen-Kollegen, die bisher im Rahmen von „Art goes Heiligendamm“ ausstellen, führen. Um so mehr, als wir uns aufgrund ihrer Arbeiten, die wir sehr schätzen, nicht vorstellen können, dass sie ihre Kunst als „vermittelnde“ und „deeskalative“ verstanden haben wollen.
In solchen Auseinandersetzungen sollten KünstlerInnen wissen, wo, für wen und unter welchen Bedingungen sie ihre Arbeiten präsentieren.
„Art goes Heiligendamm ist ‚einfallsreich, schöpferisch und visionär’ und wendet ganz praktisch ‚Deutschland – Land der Ideen’ an“, heißt es in der Pressemitteilung#1 von „Art goes Heiligendamm“.
An einer solchen identitätsstiftenden Maßnahme wollen wir uns nicht beteiligen.
Public Statement, May 21, 2007
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Critical answer to ”Art goes Heiligendamm“ by the international art project “HOLY DAMN IT: 50 000 posters against G8 – on the urgent need for radical answers“
Up to now, the public representation and perception of the project “Art goes Heiligendamm“ has been articulated in all media reports under the same headlines “De-escalating art for the G8 summit “ or “Art project wants to de-escalate at the G-8 summit“. The German “Spiegel” magazine published online: “With ‘Art goes Heiligendamm,’ the participating artists want to mediate between politics and the critics of globalization.” Adrienne Goehler, initiator of the project and former Berlin senator of culture, presented the project with the following words: “We want to contribute to de-escalation on site. Thus, we want to break with the logic of participants and opponents of the summit and create a discursive space of experience beyond good and evil.“
In press release #1 Goehler said: “Art goes Heiligendamm” wants to achieve that in the future every G8 and WTO summit includes intercultural communication, aesthetic experience and a social space for reflection on the necessary themes of globalization which are in need of cultural translation.“
We clearly oppose this instrumentalization of artistic works on the basis of a mediating legitimization of G8 politics. At the same time we are against the fact that the term “de-escalation“ is attributed to functionalize art (as the project Art goes Heiligendamm suggests). The latter is even more relevant with regard to the recent escalation of police raids against the G-8 protest movements throughout Germany, the massive intimidation and defamation campaigns through police forces as well as the announcement of the authorities in Mecklenburg-Vorpommern to prohibit the rally to Heiligendamm on June 8.
It is self-evident for the ten artists and artist collectives participating in the international art project “HOLY DAMN IT“ to formulate an artistic intervention against the politics of G8 in the frame of the international protest and resistance movements (for further information see www.holy-damn-it.org).
Out of the abovementioned reasons we have decided to turn down the invitation to be presented in a special issue of the TAZ newspaper and to exhibit under the label “Art Goes Heiligendamm” in Rostock.
Moreover, we consider it necessary to contribute to a discourse about the motifs of artistic interventions in current social processes and their medial perception. We want to continue this discussion with our artist colleagues who have hitherto been working in the frame of “Art goes Heiligendamm,“ especially since we appreciate their work and do not think that they see their art as “mediating” or “de-escalating.”
In such debates, artists should know where, for whom and under which conditions they present their works.
“Art goes Heiligendamm is ‘imaginative, creative and visionary’ and lives up to the practical slogan ‘Germany – Land of Ideas’,“ as stated in press release #1.
We do not want to contribute to such an identity-forming measure.